Lieber kein Schwein sein

„Herr Heuser vom Finanzamt“ reflektiert darüber, dass Schwein sein nichts zu tun hat mit Schwein haben. Den kabarettistischen Beitrag von Gernot Voltz aus dem Themenheft „Geschmackssachen“ gibt es jetzt auch online zum Nachlesen.

Lieber kein Schwein sein

Schönen guten Tag,

Heuser ist mein Name, Oberamtsrat, Kulinarik ist natürlich auch für mich ein großes Thema. Immerhin zahlen wir 7 % MwSt. auf Lebensmittel, das ist zwar der ermäßigte Umsatzsteuersatz, aber manchmal denke ich auch als Finanzbeamter, dass selbst das zu viel ist angesichts der vielen Lebensmittelskandale, die man uns die letzten Jahre serviert hat. Wenn man mal die Lebensmittelsteuer an die Qualität der Produkte anpassen würde, müssten wir bei vielen Sachen noch was rauskriegen, dafür, dass wir die essen.

In der Nordsee schwimmen Aale, in denen ist so viel Quecksilber drin, die können sie auch als Fieberthermometer benutzen. Dann hatten wir Nikotin in den Hühnereiern, da konnten sie die Eier in der Pfeife rauchen. Bei vielen Geflügelprodukten herrscht heute das Prinzip Überraschungsei, sieht aus wie ein Hähnchenschenkel und entpuppt sich im Magen als Salmonelle. Und immer wieder Östrogen im Kalbsfleisch. Ich habe im letzten Jahr mal ein paar Kalbsschnitzel gegessen, drei Wochen später hatte ich Körbchengröße B. Meine Kollegen haben mich wochenlang nur noch „Pamela“ genannt. Oder ich erinnere an toten Gaul in der Lasagne, sogar im Döner landete Pferdefleisch. Allerdings hat man dafür das von Karussellpferden genommen, die waren das Drehen schon gewöhnt.

Und bei jedem Skandal argumentiert die Lebensmittelindustrie, der Verbraucher sei selbst schuld, wenn er so ein billiges Fertiggericht hole. Das verstehe ich nicht. Egal was es kostet, erstens muss es sauber sein und zweitens muss drin sein, was draufsteht. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Wenn die Herzstation der Charité eine Herzklappen-OP für 299 Euro anbietet, sozusagen ein Schnupperangebot, und ich wache hinterher mit einem komischen Gefühl in der Brust auf, dann kann der Chirurg doch auch nicht sagen „Für 299 Euro konnten wir Ihnen nur eine Katzenklappe einbauen.“ Vergammelte Lebensmittel mag man ja noch erkennen, schlimmer sind die Inhaltsstoffe, die man gar nicht sieht.

Über 60 % der europäischen Antibiotika-Produktion landen im Tierfutter. Jedes Brathähnchen hat doch heute mehr Chemie im Bauch als Lance Armstrong bei der Tour de France. Wenn das Brathähnchen Fahrrad fahren könnte, würde es da gewinnen? Es hätte Schwierigkeiten, das gelbe Trikot anzuziehen, aber es würde gewinnen.

Lieber kein Schwein sein

Und eine Schweinshaxe macht mich auch nicht mehr richtig glücklich, auch wenn sie noch so lecker riecht. Wussten Sie, dass es eine EU-Verordnung gibt, nach der Ferkel bis zur 4. Woche nach der Geburt ohne Betäubung kastriert werden dürfen, übrigens Lämmer und Zicklein auch. Machen Sie das mal mit einem Hundewelpen, dann haben Sie aber eine Stunde später eine dermaßen aufgebrachte Menge um sich herum, mit der könnten Sie locker an einem Nachmittag die Krim zurückerobern.

Denken Sie nicht, ich wäre Vegetarier, ich esse gerne Fleisch, aber ich weiß eben nicht mehr, in welches ich bedenkenlos reinbeißen kann. Es ist doch absurd, wenn wir darauf achten, Shampoo zu kaufen, das ohne Tierversuche entwickelt wurde, aber dann ein Schnitzel essen, dessen Produktionsbedingungen an die spanische Inquisition erinnern.

Ein Biometzger des Vertrauens ist sicherlich eine Möglichkeit und am besten wäre es natürlich, wenn das Schwein persönlich zum Schlachthof geht und sagt: „Guten Tag, mein Berufswunsch ist westfälischer Landschinken. Könnten Sie diesbezüglich was für mich tun?“

Dazu kommen noch solche Dinge wie Analogkäse, Klebefleisch und Tubenschwarzbrot und beim Gemüse haben wir jetzt die Diskussion über genmanipulierte Pflanzen. Gen-Mais gibt es ja schon, der ist komplett schädlingsresistent. Wenn den eine Wühlmaus anknabbern will, nimmt der Mais seinen Kolben und haut den der Maus auf den Kopf. In der Lausitz hat sich neulich ein Schäfer beschwert, weil jede Nacht ein Schaf aus seiner Herde verschwand. Er dachte, das wäre der Wolf, aber es war eine fleischfressende Pflanze, die vom benachbarten Feld immer rübergeschlichen ist. Stellen Sie sich mal vor, sie haben so eine Pflanze auf dem Teller, die können Sie nicht essen, die beißt zurück.

Sie sehen, es ist nicht einfach mit der Kulinarik und dem Genießen in diesen Zeiten. Was auf jeden Fall bleibt, ist nach dem Essen eine gute Zigarre. Und so lange die nicht aus mikrowellengetrocknetem Zellulosebrei versetzt mit naturidentischen Aromastoffen im Labor zusammengepappt wurde, ist die Welt ja noch ein Stück weit in Ordnung.

In diesem Sinne

Ihr Herr Heuser

Datum: 03.02.2015

Zigarren und Zigarillos
sind Genussmittel für Erwachsene.

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