„Herr Heuser vom Finanzamt“ erlebte im letzten Jahr besinnliche Stunden auf dem Weihnachtsmarkt. Den kabarettistischen Rückblick aus dem Sonderheft zum Fest gibt es jetzt auch online zum Nachlesen.
Schönen guten Tag,
Heuser ist mein Name, Oberamtsrat. Auch für mich ist die Weihnachtszeit eine schöne Zeit. Nicht nur, weil durch die Weihnachtseinkäufe die Mehrwertsteuereinnahmen steigen, sondern weil uns die Oberfi nanzdirektion wieder mal mit einer Dienstanweisung zur steuerlichen Absetzung von Weihnachtsbäumen und Weihnachtsbaumständern bei betrieblichen Weihnachtsfeiern beglückt. Wobei es dieses Jahr hieß, dass man aus Gründen politischer Korrektheit nicht mehr vom „Weihnachtsbaumständer“, sondern von einer „brauchtumsgemäßen erektiven Nadelholzhalterung“ sprechen sollte.
Ansonsten neigt sich das Steuerjahr in friedlicher Ruhe seinem Ende zu bis auf einen Tag in der Adventszeit, an dem zumindest mein innerer Friede schneller schmilzt als ein Stück Gouda im Hochofen. Das ist der Tag, an dem meine Kollegin Frau Lammerich wieder das gemütliche Treffen der ganzen Einkommenssteuer-Abteilung am Weihnachtsmarkt organisiert. Ab Ende November werden ja die Innenstädte der Republik mit überall gleichen Holzbuden verschandelt, die auf seltsame Weise auch überall absolut gleich dekoriert sind. Ich wusste bisher nicht, dass man Bretterbuden klonen kann, aber sämtliche Weihnachtsmärkte sind offensichtlich in einem Reagenzglas aus dem gleichen Holzsplitter und den gleichen zwei Zentimeter Lametta gezüchtet worden. Inklusive dem allgegenwärtigen amerikanischen Weihnachts-Tinnitus „Jingle-Bells“ …
Und überall werden auch die gleichen originellen Kunstgewerbestände verkauft: mundgeblasene Glaskugel-Mobiles, die aussehen, als hätte man einen Bindfaden in Patex getaucht und dann durch einen Glascontainer gezogen; Räuchermännchen aus sämtlichen deutschen Mittelgebirgen, die sind so hässlich, da drin kriegen sie noch nicht mal einen Holzwurm angesiedelt; Windspiele aus Metallröhrchen, die hören sich an als hätten sie in der eigenen Plombe Radioempfang. Ich habe nichts gegen ausgeprägtes Kaufverhalten. Aber warum gibt es nicht mal eine Bude mit einem Angebot an guten Zigarren, am besten noch mit einem Stehtisch als Raucher-Lounge daneben. Es würde zu Weihnachten passen. Die Tradition, dass der Vater nach der Geburt seines Sohnes eine gute Zigarre raucht, war auch Josef bekannt. Bei der Myrrhe, die die Heiligen drei Könige als Geschenk gebracht haben, handelte es sich natürlich um eine gute Myrrhe–Longfiller.
Jedenfalls trifft sich unsere Abteilung immer am Glühweinstand. Das auffälligste Merkmal dieses Glühweins: nach zwei Gläsern haben Sie Fraßlöcher im Zahnersatz. Rechts vom Glühweinstand sitzt immer ein 1-Euro-Jobber im Weihnachtsmannkostüm auf einem Schlitten und davor – als Sensation – ein echtes Rentier. Und auf der anderen Seite unterhält die Weihnachtsbühne mit weihnachtlichen Laienvorführungen. Kaum waren wir da, ging es los. Der Seniorenchor vom Altenstift sang „Leise rieselt der Schnee“. Viel weiter sind sie allerdings nicht gekommen, die meisten der Alten haben immer nur die erste Zeile gesungen, weil sie dann wieder vergessen hatten, dass sie schon angefangen hatten.
Bei uns gab es eine Runde Glühwein nach der anderen und dann kam Frau Lammerich mit einer Runde Reibekuchen. Die waren sehr lecker, also wenn man Spaß an altem Fett hat. Geschmacklich wusste man allerdings nicht genau, wo hören die Reibekuchen auf und wo fangen die Pappteller an.
Jetzt war der Backfisch dran, also Labello mit Panade drum, Kollege Gerber trank Brüderschaft mit dem Rentier, einschließlich Küsschen auf die Backe, wobei ihm das Rentier das Toupet vom Kopf fraß und am Ende habe ich wieder, stocknüchtern wie ich war, alle nach Hause gefahren. Nur den Gerber hab ich da gelassen. Der hatte seinen Mantel an das Geweih vom Rentier gehängt, sich auf den Schlitten gesetzt und gesagt: „Ey du Taxifahrer, Südstrasse Nummer 5 bitte.“
Ob er zuhause angekommen ist, weiß ich nicht. Ich bin es auf jeden Fall und habe mir dann erstmal meinen persönlichen Krisenbewältigungsstab angefeuert, nämlich eine ausgezeichnete Zigarre.
In diesem Sinne
Ihr Herr Heuser
Herr Heuser ist einmalig – ich warf mich von einer Seite auf die andere. Ich hoffe Herr Heuser sie konnten dann noch ein ruhiges Weihnachtsfest erleben.