„Herr Heuser vom Finanzamt“ alias Gernot Voltz begibt sich auf der Suche nach dem puren Genuss. Die satirische Kolumne aus der Alles André Ausgabe „Genusswerkstatt“ gibt es jetzt auch hier zu lesen.
Schönen guten Tag,
Heuser ist mein Name, Oberamtsrat. Genussmittel sind natürlich auch für den Fiskus relevant, gehören sie doch zu den mit diversen Steuern belegten Verbrauchsgütern, wie zum Beispiel Tabaksteuer, Biersteuer, Schaumweinsteuer usw. Ich persönlich habe allerdings den Eindruck, dass in dem Bereich zurzeit Marketingscouts unterwegs sind. Die versuchen, zwanghaft jede noch so ausgefallene Geschmacksrichtung durch die Mägen der Verbraucher zu peitschen, um wieder ein paar neue Absatzmärkte zu erschließen.
Bei uns in der Kantine gibt es seit einiger Zeit sogenannte Smoothies, nennen sich „Smoothies to go“ und in der Tat, die sind zum Weglaufen. Den Orangen-Tomaten-Smoothie lass ich noch durchgehen, aber bei „Green Smoothies“ beschleicht mich ein gewisses Unbehagen. Warum soll ich einen pürierten Kopfsalat schlürfen, der dann von Geschmack und Konsistenz her eher an einen geschredderten Laubfrosch erinnert? Es gibt den Mixed-Vegetable-Smoothie, früher sagte man „Pichelsteiner Eintopf“ dazu.
Diese schnabeltassengeeignete Lebensmittelherstellung mag ja für ältere Bürger, deren Zähne schon im anderen Zimmer schlafen, sinnvoll sein, aber wenn ich sehe, dass heutzutage offensichtlich alles durchgehäckselt wird, was sich bei drei nicht in der Speisekammer ganz hinten auf dem obersten Regal versteckt, bleibt mir nur eine Frage: Wann kommt der Rostbraten-Kroketten- und der Matjes-Holunderblüten-Smoothie?
Und gerade so ein „Green Smoothie“ soll ja auch besonders gesund sein. Ich habe auf das Datum geguckt. Der war drei Jahre haltbar. Was kann daran noch gesund sein? Gut, ich sage immer, bio ist was für junge Leute, in meinem Alter ist man auf jeden Konservierungsstoff angewiesen, den man kriegen kann. Aber diese Paste kann man wahrscheinlich zur Mumifizierung verwenden und das ist mir dann ein bisschen zu viel an Konservierung.
Bei den Kakaoprodukten gibt es einen ähnlichen „Hype“. Ich wollte letztens im Supermarkt nur normale Vollmilchschokolade kaufen. Gibt es nicht mehr, dafür gibt es jetzt die White-Chili-Chocolate mit einer Cherry-Kefir-Füllung, schmeckt wie eine Peperoni durch Sagrotan gezogen. Oder es gibt die Dark-Noisette-Tropical-Spezial – mit 110% Kakao und halben Kokosnüssen drin!
Sie merken schon, ich rede hier von der Lebensmittelindustrie, also jenem Gewerbe, das uns die letzten Jahre immer wieder mit tollen Erzeugnissen überrascht hat. Lasagne, die in der Mikrowelle gewiehert hat, Eier, die durch ihre Füllung mit dem Pflanzengift Fipronil ein Leben lang vor der roten Vogelmilbe schützen, oder Leberwurst, mit der man auf Grund des Gehalts an Sägespänen sehr gut den Kamin anfeuern kann.
Da lobe ich mir kleine Manufakturen, die die Qualität ihrer Zutaten und ihrer Herstellungsprozesse so streng überwachen wie die Schwiegermutter die Putzgewohnheiten ihrer Schiegertochter. Auch wenn die Pfifferling-Schokolade aus der Manufaktur vielleicht nicht jedermanns Geschmack ist, kann man doch sicher sein, dass der Pilz aus einem Biobetrieb stammt. Und nicht von der feuchten Fußleiste eines Chemielabors abgekratzt wurde.
Das „handcrafted“ Spezialdunkelbier einer kleinen Familienbrauerei mag doppelt so teuer sein. Aber ich habe die Gewissheit, dass es sich nicht um ein mit Lakritzextrakt versetztes „Party-Weizen“ handelt, bei dem grundsätzlich eine Kopfschmerztablette mitgeliefert werden sollte, am besten gleich im Kronkorken eingelassen. Demnächst stellt irgendein Biermulti dann den Knobi-Urbock auf die Theke. Wenn man den trinkt, hat man wenigstens keine Alkoholfahne mehr. Allerdings auch keine Freunde. Auf eine Party, wo solch ein nur noch entfernt an Bier erinnerndes Gesöff angeboten wird, muss man mich gar nicht erst einladen. Da gehe ich höchstens hin, um eine Steuerprüfung zu machen.
Ich hoffe nur, dass sich diese Art von postmodernen Geschmacksinnovationen nicht bei den Zigarren durchsetzt, sondern dass hier Qualität, Herkunft und Herstellung im Vordergrund bleiben. Whisky- oder Vanillearoma in der Einlage mögen durchaus eine Bereicherung sein, aber sobald der erste Longfiller mit einem Bouquet von kandiertem Kabeljau auf den Markt kommt, werde ich zum Nichtraucher.
In diesem Sinne: Genießen Sie den puren Genuss, wo immer es ihn noch gibt!
Ihr Herr Heuser
Auch auf der Suche nach Genuss? In unserem Themenheft „Genusswerkstatt“ findet man viele lesenswerte Beiträge.