Herr Heuser feiert Weihnachten

Ho, ho, ho! „Herr Heuser vom Finanzamt“ feiert Weihnachten. Den kabarettistischen Beitrag von Gernot Voltz aus dem Nachtaktiv-Heft gibt es jetzt auch im Blog zum Nachlesen.

Herr Heuser feiert Weihnachten

Schönen guten Tag,

Heuser ist mein Name, Oberamtsrat. Natürlich übe ich meine Tätigkeit in erster Linie tagsüber aus, gilt doch ein Beamter schon als „nachtaktiv“, wenn er nach 16.15 Uhr noch arbeitet. Allerdings gibt es eine Nacht im Jahr, in der auch wir im Amt sehr aktiv sind, das ist die Nacht der alljährlichen Weihnachtsfeier, die auch jetzt wieder ins Haus steht. Ob ich allerdings hingehe oder den Abend nicht doch lieber zuhause mit einer guten Vasco da Gama verbringe, habe ich in Erinnerung an die Ereignisse des letzten Jahres noch nicht entschieden.

Herr Heuser feiert WeihnachtenAlles begann wie immer, in der Kantine standen Schalen mit Dominosteinen von Aldi auf den Tischen, alle hatten rote Weihnachtsmannmützen auf und als Hintergrundmusik lief auch wie immer die CD „Weihnachten mit Roger Whittacker“. Das ist normalerweise eine Musik, die läuft ab Pflegestufe 2. Dazu gab es 100 Liter Glühwein der Marke Christkindl. Das ist an und für sich schon eine Flüssigkeit, die man nicht als Getränk, sondern als Sterbehilfe betrachten muss, aber dann wurde die noch vom Kollegen Grothmann von der Gewerbesteuer angereichert und zwar mit zehn Flaschen Mariacron und fünf Liter Apfelkorn. Mit diesem Glühwein können Sie sich mühelos selbst die Mandeln entfernen.

Dann begann auch schon das Wichteln. Das kennen Sie sicherlich, man zieht Tage vorher einen Namen, den man nicht verraten darf, und demjenigen muss man etwas schenken. Das Schwierigste ist jetzt nicht das Geschenk, sondern das Sichfreuen beim Auspacken. Wichteln ist ja der vorweihnachtliche Sperrmüll für Kleinteile und Dementsprechendes kommt dann auch zu Tage. Es gibt bei uns eine hellgrüne Vase, die sieht aus, als hätte die einer aus einem Klostein geschnitzt und die geht bei uns schon seit acht Jahren rum. Dieses Jahr hab ich sie bekommen.

Ich hatte ja den Kollegen Grothmann gezogen, der ja gerne einen trinkt. Deswegen hatte ich ihm drei Gläser eingepackt. Das war nicht so viel, aber mehr Senf hatte ich in dem Jahr nicht gegessen.

Inzwischen waren die ersten 50 Liter Glühwein schon durch, da rief die Frau Lammerich: „Kinder, macht die Musik aus, ich singe jetzt Weihnachtslieder“, und schmetterte dann „Stille Nacht“. Jetzt kommt die Frau Lammerich mehr aus der Selbsterfahrungsecke, die hat ihre ersten musikalischen Erfahrungen in der Urschreitherapie gemacht und so sang sie auch. Draußen sind die Tauben abgestürzt, weil sie sich beim Vorbeifliegen mit den Flügeln die Ohren zugehalten haben.

Ihr Stimmungsbeitrag fand also nicht so den Anklang und prompt kam bei ihr diese Mischung aus Anhänglichkeit und Weinerlichkeit hoch, kein Wunder nach zwölf Gläsern Glühwein. Sie hing an meiner Schulter und jammerte: „Mich mag keiner …“ Ich habe sie selbstverständlich getröstet und gesagt: „Natürlich mag Sie jemand, zum Beispiel Ihr Hund.“ Daraufhin ging die Heulerei erst richtig los, was vom Kollegen Grothmann mit dem Ruf kommentiert wurde: „Hören Sie auf zu singen, Frau Lammerich, jetzt sind wir dran“, und dann machte die gesamte Gewerbesteuerabteilung auf „Oh du fröhliche“ eine Polonaise quer durchs Finanzamt und am Schluss stieg der Grothmann auf den Tisch und gröhlte: „Mach hoch den Rock, die Beine breit, jetzt kommt der Herr der Herrlichkeit.“

Da habe ich mir gedacht, jetzt ist es Zeit, nach Hause zu gehen. Frau Lammerich war inzwischen an meiner Schulter eingenickt. Ich bin vorsichtig aufgestanden, habe ihr den großen Gummibaum aus der Ecke zum Anlehnen hingeschoben und wollte los. Prompt wurde ich von einer Horde Kollegen in den Kopierraum geschoben und drei Minuten später saß ich mit dem nackten Gesäß auf dem Kopierer. Das neue Spiel vom Grothmann, POKO – Pokopieren –, und alle Männer mussten mitmachen. Danach haben die Damen dann mit den Kopien Sudoku gespielt. Man musste die Blätter so legen, dass in einer Reihe nicht zweimal derselbe Hintern lag.

Inzwischen wurde die Frau Lammerich wieder halbwach und rief schon nach mir. Also habe ich schnell meine Kopie in ihrer Augenhöhe an den Gummibaum geheftet, damit sie jemand hatte, dem sie ihr Leid klagen konnte, habe ihr noch ein Glas Sterbehilfe hingestellt und bin dann endgültig nachhause.

Wer begegnet mir als Erstes, als ich am nächsten Tag ins Amt komme? Frau Lammerich. „Herr Heuser“, sagt sie zu mir, „ich weiß nicht mehr viel, aber eins weiß ich, es gibt keinen Mann, der so gut zuhören kann wie Sie“, und dann hebt sie mir noch den Hut hoch und meint: „Aber irgendwie hatten Sie gestern Abend mehr Haare auf dem Kopf!“

Der Sinn der Bemerkung ergibt sich, wenn man weiß, dass ich seit meinem 50. Lebensjahr Träger dessen bin, was man im Volksmund als breiten Scheitel bezeichnet, dass ich also schlicht eine Glatze habe, und ich glaube, ehe ich derlei Frivolitäten noch mal erlebe, bleibe ich dieses Jahr an diesem Abend lieber in den eigenen vier Wänden nachtaktiv, und zwar in Gesellschaft einer guten Zigarre.

In diesem Sinne
Ihr Herr Heuser

Datum: 19.12.2012

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