Leider halten sich einige klischeehafte Vorstellungen über Zigarren hartnäckig, die besonders unerfahrene Zigarrenfreunde auf die falsche Fährte führen können. Wir klären auf!
Vorurteile gegenüber Zigarren aufgeklärt:
- „Dicke, lange Zigarren sind am stärksten“
- „An der Farbe erkennt man, wie stark eine Zigarre ist“
- „Longfiller sind besser als Shortfiller“
Vorurteil: „Dicke, lange Zigarren sind am stärksten.“
Auch wenn man „falsch“ nicht steigern kann: Falscher geht’s nicht. Das Gegenteil ist richtig! Aber gegen die psychologisch einfach zu verstehende Verknüpfung von „groß + stark“ und „klein + schwach“ ist nun mal kein Tabakkraut gewachsen.
Je länger und größer im Durchmesser die Zigarre, umso spürbarer kühlt der Rauch vom Brandende bis zum Mund ab. Die niedrigere Temperatur sorgt für einen deutlich milderen Gesamteindruck. Und: Im großen Format entwickeln sich die Aromen wesentlich besser. Das wird in diesen Formaten natürlich genutzt, um ein nuancenreicheres Geschmackserlebnis zu ermöglichen.
Aber auch aus diesen Fakten darf man nicht schließen, es gäbe keine großen Formate, die besonders stark sind. Natürlich gibt es die trotzdem, denn die Stärke des Tabaks beruht ja nicht auf dem späteren Zigarrenformat, sondern auf ganz anderen Faktoren während des Wachstums (sonnig oder im Schatten, obere oder untere Blätter) und der Weiterverarbeitung (der Länge und Art der Fermentation).
Vorurteil: „An der Farbe erkennt man, wie stark eine Zigarre ist: je dunkler, umso kräftiger.“
Tatsächlich besagt die Farbe des Deckblattes rein gar nichts über die Stärke der Zigarre. Als in den 1920er Jahren in den USA helle Deckblätter en vogue waren, strahlten auch die stärksten Zigarren in Milchkaffee-Hellbraun.
Die dunkle Farbe des Tabakblattes entsteht nicht nur in der Natur, sondern insbesondere bei der Fermentation. Je länger diese dauert, umso weniger Chlorophyll hat die Pflanze. Sie wird dunkler. Während dieser langen Fermentation sinkt der Nikotingehalt, die Pflanze wird also eher milder. Dunkle, ölige Deckblätter entwickeln oft sogar eine dezent süßliche Note, die das Zusammenspiel der herberen Aromen sehr gut unterstützt.
Vorurteil: „Longfiller sind besser als Shortfiller.“
Klären wir zunächst einmal die Fakten: Bei Longfillern bestehen Deckblatt, Umblatt und die Einlage aus ganzen Tabakblättern. Bei Shortfillern bestehen Deckblatt und Umblatt ebenfalls aus ganzen Blättern, die Einlage jedoch aus gerissenen, zerkleinerten Tabakblättern.
Die Entstehung der Shortfiller ist geschichtlich zu erklären. Die alten Kolonialherren brachten unterschiedlich verarbeitete Tabake aus der Karibik, aus Brasilien und aus Indonesien nach Europa. Um aus diesen verschiedenen Tabaken gute Zigarren zu rollen, wurden die Tabake gemischt. Dabei entstanden Mischungen mit bis zu 20 Tabaksorten: sehr komplexe, aber auch sehr gelungene Aromenkompositionen, die aber nur mit gerissenen Blättern realisierbar sind. Während der Longfiller, da er nur aus ganzen Blättern gerollt wird, mit drei, vier, fünf Sorten auskommt und auskommen muss, bieten sich mit dem Shortfiller ganz andere Möglichkeiten.
Dass heutzutage der Longfiller mit Handarbeit und der Shortfiller mit maschineller Herstellung gleichgesetzt wird, entspricht zwar der Realität, ist aber nicht der ursprünglich unterscheidende Faktor. Auch Shortfiller wurden früher von Hand gerollt. Da der zerkleinerte Tabak aber problemlos in der Maschine verarbeitbar ist, wird heute dieser wirtschaftliche Vorteil natürlich genutzt.
Darüber hinaus hat der Shortfiller mit den zerkleinerten Tabaken ein Problem weniger: Mangelhaftes Zugverhalten ist herstellungsbedingt praktisch ausgeschlossen. Dass auch mal ein etwas zu fest gerollter Longfiller seinen Weg in die Zigarrenkiste findet, lässt sich dagegen leider nie ganz ausschließen. Einen solchen Longfiller sollten Sie bei Ihrem Fachhändler einfach umtauschen (zumindest mit uns als Lieferanten weiß er, dass er problemlos Ersatz bekommt).
Longfiller haben aber durchaus einen anderen Geschmack. Die ganzen Tabakblätter haben noch mehr Feuchtigkeit. Dadurch entsteht ein insgesamt anderer Raucheindruck – und damit ist das Thema wieder da, wo es hingehört: Das ist alles eine Geschmacksache.
(aus Alles André, Ausgabe 2/2014)
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