Wie eine Zigarre entsteht, beschreibt Tabak- und Reifeexperte Stefan Gerkens. Hier erklärt er die wichtigsten Fakten von der Aussaat bis zur Reifung der fertigen Zigarre.
Die Zigarre ist ein pflanzliches Naturprodukt. Bis der Tabak von der Aussaat zur fertigen Zigarre verarbeitet ist, braucht er viel Zeit, Zeit zum Wachstum, Zeit zur Trocknung, Zeit zur Fermentation, Zeit zur Reifung. Von der Saat zur fertigen Zigarre finden über dreihundert Handgriffe statt.
Inhalt
Die Pflanze
Der Tabak gehört zur Familie der Nachtschattengewächse. Gemeinsames Kennzeichen dieser Gewächse ist ihr Gehalt an Alkaloiden, beim Tabak als Nikotin bekannt. Die bekanntesten Tabakarten sind „Nicotiana Tabacum“ und „Tabacum Rusticum“.
Ideale Anbaubedingungen sind: eine durchschnittliche Temperatur von 27° C, hohe Luftfeuchtigkeit, durch Wolken abgeschirmte Sonneneinstrahlung, ausreichend Regen und fruchtbarer, sandhaltiger Boden.
Die Saat
Nur zu Beginn ist der Tabak schnell: Die Tabakpflanze ist unter den einjährigen Pflanzen eine der mit der größten Gewichtszunahme. In der kurzen Zeitspanne von fünf bis sieben Monaten wird aus dem Saatgut von 0,1 mg nach Ablauf der Wachstumsperiode eine Pflanze von ca. zwei Kilogramm.
Ein Gramm Saatgut enthält ca. 10.000 Körner. Aus einer Pflanze wächst das Saatgut für etwa drei Hektar (bei bis zu 40.000 Körnern pro Hektar). Etwa 800 Pflänzlinge werden pro Quadratmeter im Saatbeet ausgebracht. Nach etwa sechs bis acht Wochen werden die Tabakgewächse auf freie Felder umgepflanzt.
Die Aufzucht
Die Nährstoffe des Bodens spielen eine wichtige Rolle für die Qualität der Pflanzen: Chlor, Kalium, Magnesium, Kalzium, Phosphor und Stickstoff sind die wichtigsten. Während der Wachstumsphase ist die tägliche Pflege und Kontrolle oberstes Gebot. Eine gute Zigarre braucht nicht nur Zeit, ihr Tabak braucht auch von Anfang an viel Aufmerksamkeit.
Es gibt zwei Arten des Tabakanbaus: Der „bedeckte“ Tabak (tabaco tapado) wird für Deckblätter verwendet, der „Tabak der Sonne“ (tabaco del sol) für Umblätter und Einlage, nur selten auch für Deckblätter. Beim Tabak „tabaco del sol“ werden die Blätter nach ihrer Position an der Pfl anze unterteilt. Die oberen Blätter, die am meisten Sonne getankt haben, sind die kräftigsten. Sie werden „Obergut“ (ligero) genannt. Die mittleren Blätter nennt man „Mittelgut“ (seco). Sie haben einen mittelstarken Geschmack.
Die mildesten Blätter stammen vom unteren Ende der Pflanze, man nennt sie „Sandblätter“ (volado). Die Kombination der drei Sorten (ligada) verleiht einer jeden Zigarre ihren typischen Charakter.
Die Ernte
Die Zigarrentabake werden im noch nicht reifen Zustand geerntet. Die Blätter sind noch grün, sie beginnen gerade, sich hell zu verfärben. So bleibt der Zucker- und Stärkegehalt des Blattes niedrig.
Die Ernte des Tabaks erfolgt in einem sechs bis achtwöchigen Zeitraum. Meist wird blattweise, entsprechend der sich an der Pflanze von unten nach oben vollziehenden Reife der Blätter, geerntet. Aber auch hier gibt es keine Regel ohne Ausnahme: In Brasilien wird für Einlagetabake die ganze Pflanze geerntet und als solche auch getrocknet.
Die Trocknung
Durch die Trocknung wird der Gehalt an Zucker und Wasser reduziert, ohne dass die Blätter verfaulen. Zum Trocknen werden die gepflückten Blätter in der Regel auf Schnüre gefädelt.
Die aufgereihten Blätter (Bandelier) werden danach in Trockenschuppen aufgehängt. Zigarrentabake werden meist luftgetrocknet (air-cured) oder teilweise unter Zuhilfenahme offener Holzfeuer getrocknet (fire-cured). Oder beides, wie etwa bei unserer Buena Vista Dark Fired Kentucky, deren Tabake erst luftgetrocknet werden und dann in einer zweiten Trocknung ihre feinen Raucharomen aus schwelendem Eichen-und Hickoryholz erhalten. Hierbei vollziehen sich die für den Genuss entscheidenden Veränderungen.
Von den im Tabak enthaltenen Kohlehydraten wird durch die langsame Lufttrocknung der Zucker völlig veratmet. Durch die Holzbefeuerung werden Farbe, Geschmack und Elastizität des Blattes wesentlich beeinflusst.
Die Fermentation
Die Fermentation ist ein Gärprozess, der durch Bakterien und Enzyme ausgelöst wird. Dadurch werden Eiweiß, Ammoniak und andere unerwünschte Stoffe abgebaut, Duft, Würze und Aroma freigesetzt, der Nikotingehalt vermindert sowie die Farbe der Blätter ausgeglichen.
Für die natürliche Fermentation werden die vorgetrockneten Tabakblätter in Stapeln (Stöcke) zusammengesetzt, die sich im Innern auf 40 bis 60 Grad Celsius erwärmen. Sobald diese Temperatur erreicht wird, werden die Stapel auseinander genommen und sofort in neue geschichtet. Dies erfolgt vier bis sieben Mal.
Die Fermentationsdauer beträgt vier bis acht Monate. Diese natürliche Methode ermöglicht, dass die Zigarre den vollen Aromareichtum entwickeln kann.
Die Sortierung
Nach der Fermentation werden die Blätter nach Blattständen (Sandblatt, Haupt- und Obergut) sortiert. Die sehr arbeitsaufwendige Sortierarbeit ist bei Deckblatt-Tabaken zu leisten. Sortiert wird nach: Graden und Sortierklassen für jede Erntestufe, unbeschädigten und leicht beschädigten Blättern, Blattgrößen, Blattfarben. Im Anschluss werden 25 bis 50 Deckblätter zu Docken (Sträußen) mit einem Tabakblatt, Bast oder Hanf zusammengebunden.
Die fermentierten, klassifizierten und sortierten Tabake werden für die Zigarrenherstellung in Ballen gepresst. Als Verpackung dienen, je nach Herkunftsland unterschiedlich, Jute, geflochtene Matten aus geschältem Bambus oder Blätter der Königspalme. Jedes Herkunftsland hat hinsichtlich Größe und Gewicht der Ballen seine Eigenart.
Die Fertigung
Es gibt grundsätzlich zwei Arten von Zigarren: Longfiller und Shortfiller. Die Bezeichnungen beziehen sich nicht auf die unterschiedliche Machart, sondern auf den Inhalt: Longfiller enthalten in der Einlage ganze Tabakblätter, bei Shortfillern sind es gerissene Teile der Tabakblätter. Daher ist bei Shortfillern eine maschinelle Verarbeitung leichter möglich, Longfiller werden von Hand gerollt. Die Handrollung braucht Wissen, Erfahrung, Geschick – und vor allem Zeit.
Die Reifung
Eine fertig gerollte Zigarre kommt noch nicht so schnell in den Handel – sondern in sogenannte Aging-Rooms, in denen sie, je nach Sorte, zwischen einigen Monaten und einigen Jahren reift. Wenn Sie Zigarren kaufen, haben diese ihr volles Aroma entwickelt und sind bereit für den Genuss.
Der Genuss
Auch hier ist „Zeit“ das Zauberwort! Ein Zug an der Zigarre pro Minute ist das richtige Timing, das den höchsten Genuss verspricht. Viel Vergnügen mit unseren feinen Tabak-Aromen!
Mehr über Zigarren gibt es im Alles-André-Magazin zum Thema „Zeit“ zu lesen. Noch kein Abonnent? Das Heft kann man hier kostenlos bestellen.